SAG' JA ZU DIR

Gefühle sind schön?

Warum ist es so schwierig mit den Gefühlen?

Gefühle begegnen uns den ganzen Tag. Häufig sind die unangenehmen Gefühle schwerer auszuhalten als die schönen.

Was machen wir, wenn sie aufkommen? Innerhalb kürzester Zeit übernehmen sie anscheinend die Führung in uns.  Meist unbewusst stecken wir mitten darin fest – fühlen uns z.B. traurig oder wütend.  Da ist es naheliegend, dass wir Gefühle nicht wollen, alles tun um sie zu vermeiden.

Jeder Mensch entwickelt eigene Strategien um sie zu vermeiden, nicht spüren zu müssen – häufig unbewusst. Wir beginnen zu streiten oder ziehen uns zurück oder wir haben plötzlich Heißhunger. Wir lassen uns auf Kompromisse ein, sagen Dinge zu oder ab. Manchmal suchen wir instinktiv Bewegung um den inneren Druck abzubauen. Wir bearbeiten den Garten mit dem Spaten als gälte es sonst was, treten in die Fahrradpedale und spüren, dass es gut tut und der innere Druck kleiner wird.

Bei großen Verletzungen wie Traumata wissen wir heute, dass sie besonderer Unterstützung bedürfen. Die „normalen“ Erlebnisse des Alltags hinterlassen ebenfalls ihre Spuren, wirken traumatisierend; auch wenn wir sie längst „vergessen“ haben.
Wenn wir heute erwachsen sind, ist unsere Kindheit nicht „weg“, sondern ein Teil unseres Menschseins.
Gefühle, denen wir begegnen, entstehen oft in der Kindheit und schon vor der Geburt.

In der Kindheit einschließlich der Schwangerschaft sind wir besonders verletzlich. Es ist eine Zeit, in der wir viel Schutz und Halt brauchen. Fehlt dieser äußere Schutz, versuchen wir instinktiv uns selber zu schützen z.B. durch verschiedene Verdrängungsmechanismen – so als hätte das verletzende Ereignis gar nicht stattgefunden.

Ein weiterer Punkt ist, dass wir häufig  mit Erziehungspraktiken konfrontiert wurden, die uns als Kind auf die Härten des Lebens vorbereiten sollten, dass wir später dem Leben gewachsen sind. Entsprechend wie die Eltern das Leben empfanden (häufig unbewusst), war diese Art von Lebensvorbereitung abhärtend, leistungs- und zielorientiert oder angepasst.
Vielleicht kennst du auch solche Sätze:

  • stell dich nicht so an
  • sei kein Weichei
  • was uns nicht umbringt, macht uns stark
  • da musst du durch
  • später hilft dir auch keiner
  • hör auf mit dem Theater, mach kein Drama
  • du nervst mich

Was waren markante Sprüche deiner Kindheit?

Fühlten wir uns als Kinder mit unseren Gefühlen ernst genommen, konnten wir die eigenen Empfindungen auf natürliche Weise entdecken, statt zu  lernen, dass die Gefühle unwichtig, unpassend, vielleicht sogar „verkehrt“ sind?

Unsere Eltern sind bereits durch eine ähnliche Lebensschule gegangen.
Häufig sind die Großeltern die Generation, die den Krieg entweder als Kinder oder Erwachsene miterlebten. Die wenigsten von ihnen haben ihre Traumata auch nur ansatzweise heilen können.
Für sie galt es zu überleben.
Neben ihren traumatischen Erfahrungen haben sie ihre eigene Lebensphilosophie – oft eine Mischung aus Angst, Ohnmacht, Willensstärke – entwickelt und an ihre Kinder weitergegeben.
Diese Elterngeneration hatte verständlicherweise wenig Zeit für ihre Kinder, galt es doch die äußeren Lebensbedingungen aufzubauen.

Die nächsten Eltern waren vielleicht meine Generation oder die sog. 68er. Sie alle haben viel bewegt, aber auch sie haben sich an das Leben angepasst.  Wer hat sie unterstützt, wirklich mutig zu sein, den eigenen Weg zu gehen, sich selber zu vertrauen?
In der Zeitspanne der letzten drei Generationen hatten das Fühlen/ die Gefühle wenig Platz im Leben. Wichtiger scheint – bis heute – das Leben im Griff zu haben.

Was aber geschieht mit Ereignissen in unserem Leben, die uns zutiefst erschreckt, geängstigt, überfordert haben?

Sie verheilen nicht, wie ein aufgeschlagenes Knie verheilt. Die Erlebnisse bleiben unsichtbare Begleiter, die sich immer wieder bemerkbar machen in Situationen, die ähnliche Gefühle auslösen. Vielleicht ist es heute so, dass wir uns den Fuß anhauen und uns wundern, warum uns das so sehr berührt. Dies geschieht solange, bis diese Gefühle, die in der ersten Erfahrung ausgelöst wurden und keine liebevolle Unterstützung fanden, heute liebevoll gesehen werden und heilen können.

Das Leben serviert uns Ereignisse, die uns erinnern. Wir können sie als Chance sehen und nutzen.

[green_box]Ein Kind, das in seinem Schmerz oder in seinen Gefühlen gesehen und gehalten wird, sich auf einem liebevollen Schoß ausruhen und erholen kann, das braucht keine Strategien entwickeln um ein schmerzhaftes Erlebnis zu verdrängen und die Gefühle zu vermeiden.
Auch wenn wir nicht so aufgewachsen sind, können wir die Erfahrungen von Halt und Geborgenheit nachholen – in jedem Lebensalter – und unsere Wunden heilen.[/green_box]

Oft wird mir die Frage gestellt, was bringt es uns, unsere Gefühle nicht weiter zu verdrängen, sondern sie aufkommen zu lassen? Da ich in den letzten Tag viel auf der Autobahn unterwegs war, kommt mir der Vergleich mit einer Autobahn, auf der die Baustellen langsam verschwinden, so dass der Autoverkehr wieder fließt bzw. das eigene Leben mit mehr Freude und Schwung fließt.
Das Leben wird leichter, wahrhaftiger und bunter mit jeder Heilung, die wir zulassen.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das nicht immer ganz einfach ist. Wenn du möchtest, unterstütze ich dich gerne dabei. Zu zweit geht vieles leichter.